SVEN OCHSENREITHER
NEITHER ... NOR
3.4. bis 14.6. 2015
geöffnet Mittwoch bis Sonntag und an Feiertagen, 15:00 bis 18:00 Uhr
“... So schildert er eine Welt, die der Logik und dem Maßstab von Kindern unterliegt.
In ihrer Sphäre, dem Spiel, wenn Kinder selbstvergessen agieren und ganz bei sich
sind, fixiert er ihr Handeln.
Er skizziert ihre Sicht auf die Dinge, wie sie die Welt erfahren, ohne sich an bekannten Darstellungsformen zu orientieren.
Sven Ochsenreither erhellt, wie sich Kinder bewegen, freuen, fürchten, streiten,
abwenden, ohne dabei in Sentimentalität zu verfallen.”
Gerhard Graulich
Sven Ochsenreither
Typoskript der Einführung von Gerhard Stromberg
Oft werde ich gefragt, wie und wo und auch warum wir die Künstler finden, die hier ausstellen.
Lassen Sie mich kurz erzählen, wie es zu dieser Ausstellung von Sven Ochsenreither gekommen ist, denn erstens gibt diese Geschichte eine Art Antwort und zweitens sagt sie auch einiges über den Menschen und Maler, den wir heute Abend hier feiern werden.
Für jemanden der Bilder macht, gibt es nicht viel Schöneres, als einen anderen Menschen dabei zu beobachten, wie er oder sie mit sorgfältiger Aufmerksamkeit auf Bilder schaut. Und wenn dann noch Zustimmung, ja sogar eine Art Verliebtheit dazukommt, dann ist das Glück perfekt.
Genau dies ist mir mit Sven Ochsenreither als Betrachter von Bildern geschehen. Zum ersten Mal bei unserer Ausstellung von Iris Vitzthum, zum zweiten Mal als er hier den Bildern von Wiel Wiersma gegenüberstand. Mir schien dieser Mann die ideale Verkörperung der berühmten Forderung Brechts, dass es genau so wie es eine Kunst des Machens gibt, es auch einer Kunst des Betrachtens bedarf, denn da stand jemand der sah und wusste und, vor allem jemand, der genießen und sich freuen konnte.
Als ich dann erfuhr, dass dieser Mann auch noch Maler ist, wurde ich natürlich neugierig, denn, – ich sage das mit nur ein ganz wenig Ironie – unter Bildermachern ist, zumindest die liebevolle Betrachtung der Arbeiten anderer, in meiner Erfahrung, nun wirklich nicht die Regel.
Nun wollte ich natürlich auch die Bilder Sven Ochsenreithers sehen. Das dauerte etwas, denn gerade an dem Tag, zu dem wir seine damalige Ausstellung in Wismar besuchen wollten, war die Galerie geschlossen und die nächste Gelegenheit ergab sich erst, als er, Monate später, zu einem „offenen Atelier“ nach Zölkow einlud.
Sollte er eine solche Einladung in diesem Jahr wieder aussprechen, dann kann ich Ihnen nur dringend empfehlen, seiner Einladung nachzukommen, denn dort, in seinem Atelier, werden Sie in die Welt seiner Bilder eintauchen, so angenehm und belebend wie in ein wohltemperiertes Solebad.
Hier, in unserer Galerie geht es darum, seine Bilder vorzustellen, erfahrbar zu machen, der kritischen Würdigung auszusetzen. Galerien sind sozusagen die Seziersäle der Kunst.
Zuhause bei der Famile Ochsenreither aber ist eine Geburtsstube. Dort ist das alles viel romantischer und umfassender, denn dort können auch jene 7/8 der Arbeit zumindest erahnt werden, die, wie Hemingway einst sagte, mit einem Eisberg verglichen werden kann, von dem eben 7/8 an der Oberfläche unsichtbar bleiben und dem Ganzen doch das Gewicht verleihen.
Im Herbst dieses Jahres werden wir hier eine Gruppenausstellung ausrichten die sich mit einer bestimmten Lebens- und Arbeitshaltung in der bildenden Kunst beschäftigt. Den Ursprung dieser Haltung habe ich, nicht zuletzt weil viele und wichtige ihrer Protagonisten aus Mecklenburg oder Pommern kamen, in der Frühromantik ausgemacht.
Lassen Sie mich diese Haltung in Bezug auf die Malerei, anhand eines Zitates von Friedrich Schlegel aus dem Jahre 1803 zumindest andeuten:
„Ist es wahrscheinlich, dass auch jetzt in unserer gegenwärtigen Zeit noch von neuem ein wahrer Maler wieder entstehen und sich erheben wird? – Wahrscheinlich ist es eben nicht; aber wer möchte die absolute Unmöglichkeit behaupten? Woran es liegt, dass es keine Maler mehr gibt, und was denen, die sich gegenwärtig in der Kunst versuchen, dazu fehlt, das ist ganz klar; teils freilich die Vernachlässigung des Mechanischen, besonders die Farbenbehandlung, am meisten aber das innige und tiefe Gefühl. Mit dem Gefühl ergibt sich der richtige Begriff und Zweck von selbst, und das bestimmte Wissen dessen, was man will,wenngleich derKünstler es nicht in Worten, sondern nur praktisch bewähren kann.“
Friedrich Schlegel kannte damals die Arbeiten von Caspar David Friedrich noch nicht, doch es scheint fast, als hätte er eine Vorahnung davon gehabt womit Maler wie Friedrich, Dahl oder Balke ihn schon bald überraschen würden.
Bis zur Frühromantik war die Malerei eine Dienerin der Systeme. Bildermacher waren dazu da, Konzepte zu illustrieren, seinen sie religiös, historisch, politisch oder, wie im Barock, leicht frivol und einem feudalen Lebensstil huldigend. Das Bild als Bild und wegen des Bildes gab es einfach nicht.
Damit haben die Frühromantiker, für einige kurze Jahrzehnte, aufgeräumt und eine Haltung hinterlassen, die heute noch nachwirkt und, wie mir scheint, heute wichtiger ist denn je.
Künstler wie Sven Ochsenreither sind nutzlos, weil ihre Haltung ein Benutzen unmöglich macht. Bedenkenlos, aber informiert von klugen Gedanken, kann er seine Malerei als gemeinfrei ins Netz stellen; er braucht sich nicht zu fürchten, dass er sie eines Tages auf den Plakaten einer Brausefirma wiederfinden wird.
Wenn es, ganz besonders in Deutschland, eine gesellschaftliche Rolle für die Kunst geben kann und darf, dann nur die, dass sie Menschen dazu verhilft existentielle Möglichkeiten jenseits des gesellschaftlichen Alltags zu erahnen. In der Tat, so glaube ich, sollte es der Kunst auch heute um Existenz gehen, nicht ums existieren.
Viel ist über die Motive von Sven Ochsenreither gesagt und geschrieben worden. Ich muß, vielleicht zu meiner Schande, gestehen, dass ich mir über diese Motive recht wenig Gedanken gemacht habe. Jeder Maler, auch der abstrakteste, braucht sein Motiv. glaubhaft und stark an Sven Ochsenreithers Motiven ist, dass die seinen aus seinem Leben und Fühlen kommen. Auch das gehört zu der Haltung von der ich spreche.
Worauf es ankommt, was den Erfolg oder Misserfolg eines Bildes ausmacht, das lassen Sie mich, zum Schluss bitte mit einem Zitat von Claude Monet illustrieren:
„Ein Objekt Schritt für Schritt hervorzurufen, um einen Geisteszustand zu enthüllen, oder anders herum, ein Objekt zu wählen und aus einer Serie von Entzifferungen einen Geisteszustand zu erreichen – das ist die perfekte Anwendung eines Geheimnisses.“
Dieses „Schritt für Schritt“ ist das, was mich am allermeisten an diesen Bildern fasziniert. Wie aus Pinselstrichen zuerst seltsame Kinder mit ebenfalls recht seltsamen Objekten werden und dann am Ende ein Bild dahängt, das ist das Tolle! Wie er seine malerischen und existentiellen Fragen zu beantworten sucht und dadurch auch mir ermöglicht, mich auf eine Reise zu mir selbst zu begeben.
Sven Ochsenreither ist, zumindest für einen Künstler, ein sehr bescheidener Mann, deshalb zum Schluss einige Anmerkungen zu seiner Biografie, die so nicht publik sind.
Er wurde 1973 in Landau in der Pfalz geboren. Es freut mich, dass er also jemand ist, dem mein pfälzischer Akzent nicht seltsam und unvertraut vorkommt.
Direkt nach dem Abitur freie Kunst zu studieren, davor hatte er Angst. Also entschied er sich für Kunsterziehung. Seinen Studienort dagegen wählte er ganz nach Gefühl und aus der Bewunderung für die Bilder C.D. Friedrichs. Also ging der junge Mann aus Landau zum studieren nach Greifswald. Das war 1994 und, wie ich glaube zeigt es einen großen Sinn für Nonkomformität und Dickschädeligkeit, denn wer damals in der Pfalz Kunsterzieher werden wollte, der ging nach Karlsruhe oder Freiburg aber nicht in den fernen Osten.
Von 1994 bis 2002 hat er das durchgemacht, was viele, die vom Lehrer zum Künstler werden wollen, immer wieder erleben. Aber, und dadurch unterscheidet er sich von den Vielen, er hat sein Studium nicht abgebrochen, sondern sogar mit einem Paukenschlag beendet. Sven Ochsenreither hat als Dr. phil. die Hochschule in Greifswald verlassen um, mit kleinen Umwegen, heute in Zölkow seine wunderbaren Bilder für uns zu malen.
Ich bin Sven Ochsenreither und – vielleicht sogar noch ein wenig mehr, seiner Frau und seiner Familie – dankbar, dass er sich so kompromisslos für die Malerei entschieden hat. Die Kraft, die er aus diesem Entschluss gewann, spricht aus jedem seiner Bilder. Gute Lehrer gibt es viele, gute Kunsttheoretiker schon bedeutend weniger; gute Maler aber sind selten. Sven Ochsenreither ist einer von ihnen.
SVEN OCHSENREITHER
1973
in Landau/Pfalz geboren
1994-1999
Studium am Caspar-David-Friedrich-Institut der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
Praktika u.a. bei Norbert Schwontkowski und Thomas Hartmann
seit 2002
freiberuflich
2003
Reisestipendium Schloss Büchsenhausen, Innsbruck (AT)
2004
Kunstpreis Energie
2008
Katalogförderung durch die Ostdeutsche Sparkassenstiftung
2010-2014
Lehraufträge für Malerei am Caspar-David-Friedrich-Institut der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
seit 2011
Mitglied der Künstlergruppe BLEIGELB
2014
Arbeitsstipendium (Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommern)
ARBEITEN IM ÖFFENTLICHEN BESITZ
Dom St. Nikolai, Greifswald
Landeskunstbesitz Mecklenburg-Vorpommern
Kunstsammlung Neubrandenburg